Am 08. Januar wurde der berühmt berüchtigte Drogenboss Joaquín „El Chapo“ Guzmán Loera nach einem Feuergefecht zwischen seinem Kartell und dem mexikanischen Militär festgenommen. Nur Tage vorher kam es zu einer bizarren Situation. Sean Penn, seines Zeichens Hollywoodstar, hatte die Gelegenheit, den streng bewachten Schwerverbrecher zu einem Interview für den ‚Rolling Stone‘ zu treffen.
Schon die Planung war wie im Krimi. Penn musste für jeden Kontakt ein neues „Burner Phone“ kaufen, also ein austauschbares Wegwerfhandy, damit El Chapo nicht getrackt werden konnte. Nachrichten mussten verschlüsselt übermittelt, anonyme Email-Adressen genutzt werden. Maßgeblich beteiligt an den Verhandlungen war die mexikanische Schauspielerin Kate del Castillo. Schließlich kam es zu der Begegnung. Irgendwo im mexikanischen Dschungel, so schreibt der Schauspieler, umgeben von hunderten Gefolgsleuten El Chapos. Shakehands mit einem Killer. Sieben Stunden lang interviewte er einen der meistgesuchten Männer der Welt, der am 11. Juli 2015 durch einen 1,5 Kilometer langen Tunnel aus einem Hochsicherheitsgefängnis türmte, wo er kurioserweise jetzt wieder einsitzt.
Gesprochen wurde über El Chapos Kindheit, seine Anfänge im Drogenbusiness, seine Familie und sogar Donald Trump, den er scherzhaft als „Mi Amigo!“ (mein Freund) bezeichnete. In Wahrheit könnte es dem US-Präsidentschaftskandidaten nicht schnell genug gehen, einen Schutzwall an der mexikanischen Grenze zu errichten, um die illegale Zuwanderung zu stoppen.
El Chapos Eltern seien sehr bescheiden und arm gewesen. „Ich erinnere mich, wie meine Mutter Brot machte, um die Familie zu unterstützen. Ich verkaufte es, ich verkaufte Orangen, ich verkaufte Soft Drinks, ich verkaufte Süßigkeiten. Meine Mutter war eine harte Arbeiterin, sie arbeitete viel. Wir bauten Mais an, Bohnen. Ich passte auf das Vieh meiner Großmutter auf und schlug Holz.“
Mit 15 sei er ins Drogenbusiness eingestiegen. Er schiebt es darauf, dass es in der Gemeinde Badiraguato, in der er aufwuchs, bis heute kaum Jobmöglichkeiten gibt. „Der einzige Weg, Geld für Essen zu haben, zu überleben, ist, Mohn und Marihuana anzubauen. Und in diesem Alter fing ich an, zu kultivieren und zu verkaufen.“
Er ist sich bewusst, dass Drogen Menschenleben zerstören und nichts Gutes bringen. „Also es stimmt, dass Drogen zerstörerisch sind. Unglücklicherweise gab es keinen anderen Weg, zu überleben. Keinen anderen Weg, um in unserer Wirtschaft zu arbeiten und seinen Lebensunterhalt zu verdienen“, wiederholte er. Auch glaubt er nicht, für das hohe Level an Drogensucht auf der Welt mitverantwortlich zu sein. „Nein, das ist falsch. Denn wenn ich einmal nicht mehr existiere, wird es sich überhaupt nicht verringern.“
Im Alter von 18 zog es ihn in andere Regionen des Landes, kehrte jedoch wegen seiner Mutter – die noch am Leben ist – immer wieder in seinen Heimatort zurück, wo er auf einer Ranch lebte. Das Familienleben eines Drogenbosses? Angeblich völlig normal. „Meine Kinder [mindestens 11], meine Brüder, meine Neffen. Wir alle kommen gut miteinander aus, ganz normal. Sehr gut.“
Freiheit (die er bis zum nächsten Ausbruch los ist), so El Chapo, sei „sehr schön“. Der Druck halte sich in Grenzen, weil er seit Jahren daran gewöhnt ist, sich zu verstecken. „Ich spüre nichts, das meine Gesundheit oder meinen Geist beeinträchtigt. Ich fühle mich gut.“
Die Frage von Sean Penn, ob er eine gewalttätige Person sei, verneinte er. „Sehen Sie, ich verteidige mich nur, mehr nicht. Aber fange ich mit Ärger an? Niemals.“ Sein Drogenkartell bezeichnet er nicht als solches. „Überhaupt nicht. Weil die Leute, die ihr Leben dieser Aktivität widmen, nicht von mir abhängig sind.“ Auch ist er sich sicher, dass Drogen nie aus der Welt verschwinden werden, schon gar nicht aufgrund des Terrors im Mittleren Osten. Dieser würde nämlich keinerlei Einfluss auf sein Business nehmen. Er selbst nehme keine Drogen, habe es nur vor einigen Jahren mal probiert. „Ich habe in den letzten 20 Jahren keine Drogen genommen.“
Zu guter Letzt sprach El Chapo über seine spektakuläre Flucht im Juli. Die zweite in seiner kriminellen Karriere. Zum ersten Mal konnte er am 19. Januar 2001 türmen. Er habe nie im Sinn gehabt, bei seiner Flucht Menschen zu verletzen. „Ich vertraute auf Gott und die Dinge funktionierten. Alles war perfekt. Dank Gott bin ich hier. In anderen Situationen ereigneten sich andere Dinge, aber hier übten wir keine Gewalt aus.“
Übrigens sei nicht das Penn-Interview an der erneuten Festnahme schuld gewesen sein, sondern El Chapos Gier nach Ruhm. Er wollte unbedingt eine Dokumentation über sein Leben drehen und kontaktierte verschiedene Produzenten. Einer davon hat dann wohl die Behörden alarmiert.
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