
Die Kamera liebt makellose Haut. Perfekte Proportionen. Ein strahlendes Lächeln. Seit Jahrzehnten ist Hollywood das Schaufenster einer Idealwelt, in der jede Falte, jedes Kilo zu viel und jede Unebenheit wie ein unerwünschter Gast aus dem Bild retuschiert wird. Doch in den letzten Jahren hat sich etwas verändert – zumindest auf den ersten Blick. Plötzlich prangen kurvige Körper auf Magazincovern, Schauspielerinnen zeigen sich ungeschminkt und sprechen öffentlich über Selbstzweifel. „Body Positivity“ lautet das neue Schlagwort. Ein Befreiungsschlag? Oder doch nur eine PR-Maske, glattgezogen wie die Gesichter auf dem roten Teppich?
Neue Vielfalt – ein echter Fortschritt?
Es ist nicht zu leugnen. Die Körperbilder in Hollywood werden facettenreicher. Lizzo steht selbstbewusst auf der Bühne, ohne sich für ihre Figur zu entschuldigen. Die gefeierte Serie Euphoria zeigt Teenager mit Dehnungsstreifen und Tränen, ohne Weichzeichner. Und auch große Studios entdecken Diversität als Verkaufsargument – dick, dünn, alt, jung, Narben, Tattoos, Transkörper – plötzlich alles willkommen. Wirklich?
Die Filmindustrie hat gelernt, dass sich Authentizität gut verkauft. „Unperfekt ist das neue Perfekt“ – das klingt nicht nur gut, es lässt sich auch hervorragend vermarkten. So wird aus einem Bauchansatz ein rebellisches Statement, aus Cellulite ein Symbol für Stärke. Aber wie ehrlich ist das alles wirklich?
Lippenbekenntnisse hinter den Kulissen
Vordergründig feiert Hollywood heute Körpervielfalt und Selbstakzeptanz. Stars wie Ashley Graham, Barbie Ferreira oder Jonah Hill stehen für ein neues, scheinbar inklusives Schönheitsbild. Sie erzählen in Interviews von Bodyshaming, von der Befreiung durch Selbstliebe, von der Kraft, sich der Norm zu verweigern. Die Medien applaudieren, das Publikum jubelt, und die Streamingplattformen promoten Vielfalt als USP. Gleichzeitig feiern Promis der Gen Z auf Social Media eine neue Offenheit, die vielen als fortschrittlich gilt – aber wie nachhaltig ist dieser Trend?
Denn hinter jeder als „mutig“ inszenierten Nacktszene ohne Filter steckt oft eine lange Liste an Auflagen, Nachbearbeitungen und einem sorgfältig kuratierten „Unperfektsein“. Schauspielerinnen berichten davon, dass ihnen zwar vor der Kamera die Freiheit zugestanden wird, sich „echt“ zu zeigen – im nächsten Moment jedoch die Stylistin das Doppelkinn kaschiert, der Regisseur bestimmte Winkel verbietet oder die Studioleitung „eine gesündere Erscheinung“ wünscht. Zwischen öffentlichem Empowerment und privatem Erwartungsdruck klafft eine tiefe Lücke.
🎬 Was in der Praxis oft hinter der Bühne passiert?
- Verdeckter Optimierungsdruck: Schauspielerinnen, die sich öffentlich für Body Positivity einsetzen, erhalten hinter den Kulissen klare Vorgaben zur „körperlichen Entwicklung“. Gewichtsschwankungen werden kommentiert, als wäre der Körper eine wandelnde Visitenkarte des Studios.
- Gefilterte Authentizität: Selbst bei vermeintlich „ungeschönten“ Kampagnen greift das PR-Team oft subtil ein – sei es durch professionelle Beleuchtung, retuschierte Standbilder oder gezielt platzierte Outfits, die Problemzonen geschickt verstecken.
- Kalkulierte Rollenvergabe: Diversität ist in vielen Fällen auf bestimmte Rollen beschränkt. Wer nicht dem Idealmaß entspricht, wird auf die komische Freundin, das schrille Sidekick oder den „besonders inspirierenden“ Charakter reduziert – als wäre der Körper ein dramaturgischer Kniff statt einfach nur normal. Gerade Charakterdarsteller mit unkonventionellem Aussehen werden dabei häufig auf eindimensionale Rollen festgelegt.
- Selektive Sichtbarkeit: Nur wenige Stars mit nicht normgerechtem Körperbild erhalten die Chance, große Werbekampagnen, romantische Hauptrollen oder Actionparts zu übernehmen. Die Ausnahmen bestätigen die Regel – und dienen genau deswegen oft als Feigenblatt.
Was nach Fortschritt aussieht, ist oft ein Spagat zwischen Idealen und Erwartungen. Studios nutzen das Thema Body Positivity als Imageinstrument – ein Marketingtool, das frischen Wind bringt, aber selten tief in den Strukturen verankert ist. Denn während auf den Plakaten Vielfalt zelebriert wird, herrschen in den Konferenzräumen dieselben alten Denkmuster: Schönheit verkauft sich besser, wenn sie sich anpassen lässt.
Das alles heißt nicht, dass die Bewegung bedeutungslos ist. Im Gegenteil: Sie hat etwas ins Rollen gebracht, das lange überfällig war. Aber solange ein „echter“ Körper in Hollywood noch mutig ist, statt einfach normal, bleibt Body Positivity eher ein Slogan als eine gelebte Selbstverständlichkeit.
Wenn Vielfalt zur Verkaufsstrategie wird

Body Positivity ist zu einem Produkt geworden. Ein Label, das auf Talkshows funktioniert, das Follower bringt, das Preise gewinnt. Gerade bei Inhalten, die viral auf TikTok gehen, verschwimmt oft die Grenze zwischen echter Selbstakzeptanz und gezielter Selbstinszenierung. Doch echte Akzeptanz beginnt nicht beim Applaus, sondern im Alltag. In den Rollen, die vergeben werden. In der Auswahl der Gesichter für Werbekampagnen. Und darin, ob eine Frau über 50 noch die Hauptrolle bekommt, ohne dass ihr Alter zum Dreh- und Angelpunkt des Drehbuchs wird.
🎬 Woran erkennt man echte Vielfalt und nicht nur ein kalkuliertes Image?
- Vielfalt in allen Genres: Wenn kurvige Schauspielerinnen nicht nur die komische Nebenrolle spielen, sondern auch Heldin, Liebhaberin oder Chefin sein dürfen.
- Gleiche Chancen hinter der Kamera: Wenn Regisseurinnen, Produzenten und Autorinnen mitreden, wie Geschichten erzählt werden – und nicht nur gecastete Körper Bilder füllen. Es braucht Hollywood-Castingagenten, die bereit sind, jenseits der Schönheitsnorm zu denken und Neues zu wagen.
Ein schmaler Grat zwischen Mut und Marketing
Natürlich ist es ein Fortschritt, dass heute mehr Körperformen sichtbar werden. Jede Person, die sich in einem Film oder auf einem Plakat wiedererkennt, wo sie früher nur Unsichtbarkeit kannte, zählt. Für viele junge Menschen kann ein solches Bild ein kleines Rettungsseil sein in einer Welt voller Vergleich und Selbstzweifel. Und dennoch bleibt die Frage: Wird hier wirklich Raum geschaffen – oder bloß kurz Platz gemacht?
Der amerikanische Traum war nie arm an Schönfärberei. Vielleicht ist auch Body Positivity nur die neueste Version davon – hübsch verpackt, gut inszeniert, aber ohne tiefere Wurzeln. Denn solange eine „abweichende“ Körperform noch als Ausnahme gefeiert wird, ist sie eben noch keine Norm.
Zwischen Hoffnung und Hochglanz
Body Positivity in Hollywood bewegt sich irgendwo zwischen echter Bewegung und cleverer Verkaufsstrategie. Es ist wie ein Sonnenstrahl, der durch ein Studiolicht bricht – warm, hell, aber auch künstlich. Und doch: Selbst wenn das Rampenlicht manchmal trügt, kann es Türen öffnen. Vielleicht ist es nicht die Revolution, auf die viele hoffen. Aber ein Anfang. Und jeder Anfang zählt.
Denn am Ende ist die wichtigste Bühne nicht die Leinwand – sondern der Spiegel zu Hause. Und manchmal beginnt die Veränderung im Inneren – mit der Visualisierung zum Erfolg.